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Faschismus heute

Nach Auschwitz muss sich ein neuer Faschismus vermutlich als Antifaschismus tarnen, um Einfluss gewinnen zu können – ich meine, das hat Adorno gesagt. Tatsächlich hält sich die heutige Führung Russlands an diesen Gedanken, allerdings nicht auf irgendeiner empirischen Grundlage, sondern als reine Propaganda. Der faschistische Staat Russland kämpft heute gegen jede Form von Demokratie in seinem In- und Ausland und setzt dafür alle Mittel ein, die eine imperiale Macht besitzt. Mit dem Überfall auf die Ukraine ist Russland in einen Status eingetreten, der einige Parallelen zum faschistischen Deutschland ab dem Herbst 1939 aufweist. Damit hat es sich gleichzeitig auf einen Weg begeben, der nur mit seiner militärischen Niederlage enden kann, genauso wie Deutschland mit dem Überfall auf Polen in einen von Beginn an verlorenen Krieg gegen den Rest der Welt eingetreten ist und am Ende militärisch besiegt werden musste. Es gab kein anderes Mittel, den Krieg des Dritten Reichs zu beenden und dem Terror ein Ende zu machen und ich denke, Russland wird zuletzt auch militärisch besiegt werden müssen. Gegen faschistische Regime, die wiederholt Angriffskriege führen, gibt es keinen anderen Weg. Es ist äußerst naiv, auf Diplomatie zu setzen.  Es bleibt zu hoffen, dass es gelingt, die heutige faschistische Großmacht daran zu hindern, die Apokalypse, den Holocaust an der gesamten Menschheit, auszulösen. Denn das ist die historische Novität des faschistischen Russlands – hier liegen faschistisches Regime und Nuklearwaffen in einer Hand. Und niemand kann sicher sein, dass die heute in Russland herrschenden Faschisten noch so viel Rationalität haben, dass sie begreifen: Der Einsatz von Atomwaffen ist gleichbedeutend mit dem Selbstmord Russlands. Im Folgenden liste ich eine Reihe von Wesensmerkmalen und Eigenschaften des heutigen Russlands auf, die für eine erhebliche Übereinstimmung mit dem Dritten Reich stehen und aufgrund derer ich frage, ob es nicht doch angebracht ist, diesen Staat als wesensmäßig faschistisch zu klassifizieren und  zu verstehen, um ihm angemessen entgegenzutreten? Ich weiß, dass viele Linke in der Bundesrepublik andere Begriffe verwenden, wie zum Beispiel Autokratie, Imperialismus oder Kleptokratie, aber ich halte sie für verharmlosend und schönfärberisch. Meiner Ansicht nach steckt hinter diesen Schmeicheleien immer noch der Mythos von der Roten Armee als Befreiungsarmee im Zweiten Weltkrieg. Aber dieser Mythos kann nach dem, was Timothy Snyder dazu belegt hat, keinen Bestand mehr haben. Und die heutige Armee Russlands hat mit der Roten Armee unter Stalin nur noch wenig gemeinsam – außer der unbegrenzten Brutalität und Menschenverachtung. Faschismus im heutigen Russland, das sind folgende Wesensübereinstimmungen mit dem faschistischen Dritten Reich: Der Staatsapparat wird auf allen Ebenen von faschistischen Führungskräften dominiert; Geheimdienste und Geheimpolizei spielen eine herausragende Rolle; Oligarchen als Großkapitalisten bilden die mächtigste ökonomische Basis der Politik; in Armee, Polizei und Geheimdiensten wird systematisch gefoltert; Wahlen werden gefälscht; Bürgerrechte wie Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, politische Freiheiten und Rechte gibt es nicht mehr; die Justiz ist vollständig gleichgeschaltet und agiert durchgängig im Sinn der Staatsführung; es gibt zahlreiche politische Häftlinge, die grundlos in Arbeitslagern eingesperrt werden; an der Spitze des Systems steht ein sehr reicher Führer, der aufgrund des Führerprinzips und eines umfassenden Personenkults dezisionistisch regiert und ein terroristisches Notstandsregime führt; die Staatsführung ist in Geldwäsche, schwarze Kassen und Mafiageschäfte involviert und raubt die Bevölkerung aus; zentrale Elemente der Zivilgesellschaft wie NGOs werden kriminalisiert, LGBT-Menschen werden als Sündenböcke verteufelt; der gesamte mediale Apparat verbreitet Lügen, Halbwahrheiten und Verdrehungen en masse und ist dadurch eine reine Propagandamaschine; das Land führt Angriffskriege auf der Basis einer imperialen Eroberungsstrategie für ganz Eurasien; der Krieg gegen die demokratische Ukraine ist im Kern der Versuch eines Völkermords und hat vor allem das Töten von Zivilpersonen und Kindern zum Ziel – ein Kriegsverbrechen reiht sich ans andere; Antisemitismus, der Hass auf die Ukrainer und ethnische Säuberungen mit der Verschleppung von ukrainischen Kindern und Erwachsenen nach Russland werden gezielt propagiert bzw. betrieben; Russland ist dabei, ohne geringste Siegeschance militärisch gegen andere Länder vorzugehen, auf der Grundlage des Bruchs allen Völkerrechts, aller bilateralen und multilateralen Verträge, verbunden mit katastrophalen Fehleinschätzungen seiner militärischen Möglichkeiten; dadurch werden auch viele russische Soldaten getötet, was die Staatsführung nicht interessiert; das Land mischt sich in vielen demokratisch regierten Ländern mit digitaler Sabotage und einem offensiven Cyberkrieg in deren Wahlen ein und versucht, diese zu manipulieren; die russische Kriegführung in der Ukraine ähnelt den unfassbar brutalen Methoden der Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg; die politische Theorie der Staatsführung beruht vor allem auf Geschichtsfälschungen und Lobpreisungen der stalinistischen Verbrecher als Großmachtvertreter. Literatur: Reinhard Kühnl, Der Faschismus. Ursachen und Herrschaftsstruktur. Eine Einführung, Heilbronn 1998; Oksana Timofejewa, Butscha ist ein Spiegel. Die apokalyptischen Träume des Imperiums im Bluttheater des Krieges, in: Lettre International 139, Winter 2022, S. 16-19.

Dr.HeinzArnold

Abitur in Biedenkopf/Lahn, Studium Anglistik, Politik, Geografie, Philosophie, Soziologie, Pädagogik an den Universitäten Heidelberg und Marburg/Lahn, Promotion Dr. rer. pol. Universität Kassel, Lehraufträge in Geografie und Politik an den Universitäten Trier und Kassel, zahlreiche Buch- und Zeitschriftenveröffentlichungen in Politik, Soziologie und Geografie, in der politischen Linken aktiv seit 1968. Bücher u.a.: Linke Politik - eine kritische Einführung, Hamburg 2020; Gesellschaften, Räume, Geografien, Trier 1997; Disparitäten in Europa: Die Regionalpolitik der Europäischen Union - Analyse, Kritik, Alternativen, Basel/Boston/Berlin 1995; Saar-Lor-Lux/Trier-Westpfalz/Wallonie - Strukturen und Perspektiven einer Europäischen Großregion, Trier 1998; Soziologische Theorien und ihre Anwendung in der Sozialgeografie, Kassel 1988; Aldous Huxley, Brave New World, Berlin 2005 (Hrsg.); Lektüreschlüssel George Orwell, Animal Farm, Stuttgart 2011

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