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Linke Friedenspolitik heute

Es gab einmal eine Zeit in Deutschland, da war die Friedensbewegung gegen Krieg und Atomwaffen unterwegs und zugleich antifaschistisch, also gegen die damaligen Rechtsextremisten und Neonazis.

Davon ist nicht viel übrig geblieben. Die heutige Friedensbewegung verdient diese Bezeichnung leider nicht mehr, denn sie stimmt in zentralen Punkten hundertprozentig mit den Forderungen der heutigen Rechtsradikalen und neuen Faschisten, insbesondere in der AfD, überein. Und deckungsgleich mit ihr äußern sich das Bündnis Sarah Wagenknecht Wladimir Putin sowie andere pseudolinke Gruppen über die internationale Politik. Was aber am schlimmsten ist: Der Vorstand der Linkspartei gibt genau denselben rechten und reaktionären Unsinn von sich, soweit es um internationale Politik und das Verhalten gegenüber der Ukraine und Russland geht; allerdings entspricht diese reaktionäre Politik nicht dem, was die Mehrheit der Mitglieder in der Linkspartei denkt.

Es ist rechte und reaktionäre Politik, der Ukraine die militärische Unterstützung zu verweigern. Diese Verweigerung wird einheitlich von Leuten wie Trump, vom BSW und von der AfD gefordert, und vom Vorstand der Linkspartei. Was bedeutet das tatsächlich? Dass man sich auf die Seite von Putins aggressivem und faschistischem Russland stellt, dass man in dem Krieg zwischen der Demokratie Ukraine und der Diktatur Russland der angegriffenen Demokratie nicht hilft, sich also als Unterstützer der Diktatur und der Kriegs- und Angriffsmacht Russland erweist. Hier wird eine rechtsextreme, reaktionäre, demokratiefeindliche Position bezogen, für die ich als Linker keinerlei Verständnis habe. Da hilft das anhaltende Gejammer über zu wenig Diplomatie überhaupt nicht. Die heuchlerischen Diplomatieversuche eines Donald Trump haben sich als vollkommen erfolglos erwiesen. Die russische Diktatur weicht keinen Millimeter zurück und hat seit Beginn der Gespräche mit den USA den Krieg kontinuierlich eskaliert und brutalisiert. Sie hat nicht das geringste Interesse an Diplomatie oder Frieden, im Gegenteil. Russland wird sich auch in allen anderen Diplomatieversuchen jeder Waffenstillstands- oder Friedensbemühung entziehen, denn es will die Ukraine vernichten und Europa erobern. Das nennt man erstens Völkermord und zweitens Kolonialismus. Das ist die Realität des heutigen Russland. Wer da neutral bleibt, hilft den Großrussen bei ihren mörderischen Vorhaben. Da gibt es keine Ausreden.

Zugleich wird von manchen vermeintlich Linken noch die andere Illusion genährt, China würde irgendwie zum Ende des Kriegs der russischen Diktatur gegen die Demokratie Ukraine beitragen. Das ist ein Märchen, genauso wie die Thesen über ein sozialistisches oder irgendwie linkes China. China ist eins der Länder der Welt mit der größten sozialen Ungleichheit, mit einem brutalen Kapitalismus und einem extrem unterdrückerischen Staat, der seine Bürger weitaus stärker überwacht und ausspioniert als die Stasi in der DDR. Demokratische Freiheiten und Menschenrechte existieren nicht. Es ist unfassbar, dass Linke irgendetwas Positives von der heutigen VR China erwarten; denkbar ist lediglich, dass das Land gegenüber Taiwan einen ähnlichen Völkermord anstrebt wie das imperialistische Russland gegenüber der Ukraine. Es ist eine Schande für die Welt, dass die chinesische Diktatur sich anschickt, wirtschaftlich stärker zu werden, ohne die geringste Demokratisierung anzustreben. Man muss der chinesischen Bande, die dort herrscht, gerade auch wegen ihrer vollen Unterstützung Russlands im Aggressionskrieg gegen die Ukraine, dasselbe Pfui Teufel entgegenschleudern wie den faschistischen Großrussen – sie ist keinen Deut besser; dazu reicht es, wenn man sich anschaut, was sie mit Tibet macht. Jegliche Unterstützung Chinas im internationalen System ist ein reaktionäres, autokratisches Unterfangen, das sich für jeden demokratisch eingestellten Menschen verbietet.

Das damit im Kontext stehende Loblied auf eine angebliche Multipolarität stammt von Stalin, dem wahrscheinlich größten Massenmörder aller Zeiten. Es ist eine stalinistische Linie, der die Linkspartei heute noch folgt, mit ihrer politisch naiven und infantilen Führung, die nichts aus der Geschichte der Weimarer Republik gelernt hat und offenbar irgendwelchen Mythen folgt, die so russophil wie eh und je sind. Die Führung der Linkspartei interessiert sich so wenig für die Demokratie wie die KPD vor hundert Jahren. Sie hat überhaupt kein Problem damit, gegenüber der Ukraine dieselbe reale Politik zu betreiben wie die AfD. Sie bläst ins selbe dümmliche, verfassungswidrige Horn wie die AfD, wenn sie behauptet, der gewählte Bundestag sei in seiner Endphase nicht mehr kompetent. Sie ist so geschichtsblind, dass sie nicht gemerkt hat, was in Russland passiert ist. Sie nimmt nicht zur Kenntnis, dass heute Russland faschistisch ist und Deutschland demokratisch, dass sich also die Verhältnisse geändert haben und dass es keinen Grund gibt, gegenüber dem heutigen Russland und seiner Diktatur irgendwelche Skrupel zu haben. Die Generationen von Hitler und Stalin sind tot. Aber Russland ist im Reich von Diktatur und systematischem Morden, im imperialen Fluch geblieben, während sich Deutschland daraus befreit hat. Russland bekämpft jede Art von Demokratie und unterstützt jede Diktatur auf dieser Welt, und jede rechtsextreme oder faschistische Bestrebung und Bewegung. Jeder Schritt in der derzeitigen internationalen Politik, der sich gegen Russland und seine Freunde richtet, ist richtig und jede Maßnahme, die Russland und seinen Freunden dient, ist falsch. Und jede Art von Neutralität, wie das Verweigern von Waffenlieferungen an die Ukraine, hilft Russland beim Völkermord und bei seinen kolonialistischen Aktionen, gegen die Demokratie, gegen das internationale Recht und die Menschenrechte, für seine Kriege.

Es ist erbärmlich, dass das keiner von den Linken ausspricht; dabei ist es doch nur die ganz einfache, klare Wahrheit. Was sind das für Linke, die die Wahrheit nicht sagen können? War das etwa für Karl Marx oder Rosa Luxemburg typisch, dass sie sich vor der Wahrheit gedrückt hätten? Haben sie nicht, wie so viele frühere Linke, die Demokratie mit aller Kraft verteidigt und sich für die Menschenrechte für alle eingesetzt? Was würden sie vom heutigen Vorstand der Linkspartei sagen, über Politiker, die sich für links halten und die einfache Wahrheit nicht erkennen oder sich nicht trauen, sie zu benennen? Allerdings sind Lügen und Verschweigen spätestens seit den Zeiten der von Stalin gelenkten Sowjetunion durchgängige Prinzipien und Methoden gewesen, gerade auch in Bezug auf das ach so fortschrittliche Russland; zum Beispiel, als Marx’ Buch über Russland und seine althergebrachte Diktatur- und Despotietradition über Jahrzehnte versteckt und verheimlicht wurde. Bis heute setzen die Linken das Lügen über Russland fort, ohne mit der Wimper zu zucken! Irgendwann wird ihnen das noch um die Ohren fliegen.

Linke Friedenspolitik erfordert heute, wie zu Zeiten des deutschen Faschismus, auch militärische Handlungen, und zwar gegen Russland; mag sein, dass in ein paar Jahren sogar militärische Verteidigungsaktionen Europas gegen die unter Trump aggressiv gewordenen USA unausweichlich sein werden, aber das ist spekulativ. Real ist das Heute – es muss eine europaweite, besser weltweite militärische Allianz gegen Putins Russland aufgebaut werden, um Russland zum Frieden zu zwingen, so wie 1945 Deutschland zum Frieden gezwungen werden musste. Das ist heute der Kern europäischer, linker Friedenspolitik. Eine Friedensbewegung oder ein Parteivorstand, die das nicht erkennen, haben kein Recht, sich links zu nennen. Sie betreiben alles Mögliche, aber keine linke Politik. Diese erzwingt im Zweifelsfall den Frieden, sie schützt die Demokratie und verhindert Imperialismus sowie Diktatur. Das war die Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg, also aus der Niederlage von Frieden und Demokratie 1933 und 1939.

Vor diesem Hintergrund ist es auch falsch, die Rüstungsmaßnahmen der Bundeswehr pauschal als Aufrüstung zu bezeichnen, die auf Kosten von Bildung und Sozialpolitik erfolgt. Deutschland muss mehr rüsten, weil die Erwartung eines russischen Angriffs real ist, kein Fantasieprodukt. Das Land muss sich auf einen Verteidungskrieg vorbereiten, denn täglich wird im russischen Fernsehen dazu aufgefordert, Deutschland anzugreifen. Natürlich ist es notwendig, deutlich mehr in die Bildung und in den Sozialstaat zu investieren, wenn das Land wieder Wachstum generieren will. Aber das ist keine Alternative zu mehr Verteidigungsbereitschaft und mehr Geld für militärische Zwecke. Wenn Russland Deutschland überfällt, können wir Bildung und Sozialstaat vergessen. Dann geht es nur noch um einen militärischen Konflikt von größter Härte.

Literatur: Timothy Snyder, Der Weg in die Unfreiheit. Russland, Europa, Amerika, München 2019; Karl Marx, Die Geschichte der Geheimdiplomatie des 18. Jahrhunderts. Über den asiatischen Ursprung der russischen Despotie, Berlin 1977.

Dr.HeinzArnold

Abitur in Biedenkopf/Lahn, Studium Anglistik, Politik, Geografie, Philosophie, Soziologie, Pädagogik an den Universitäten Heidelberg und Marburg/Lahn, Promotion Dr. rer. pol. Universität Kassel, Lehraufträge in Geografie und Politik an den Universitäten Trier und Kassel, zahlreiche Buch- und Zeitschriftenveröffentlichungen in Politik, Soziologie und Geografie, in der politischen Linken aktiv seit 1968. Bücher u.a.: Linke Politik - eine kritische Einführung, Hamburg 2020; Gesellschaften, Räume, Geografien, Trier 1997; Disparitäten in Europa: Die Regionalpolitik der Europäischen Union - Analyse, Kritik, Alternativen, Basel/Boston/Berlin 1995; Saar-Lor-Lux/Trier-Westpfalz/Wallonie - Strukturen und Perspektiven einer Europäischen Großregion, Trier 1998; Soziologische Theorien und ihre Anwendung in der Sozialgeografie, Kassel 1988; Aldous Huxley, Brave New World, Berlin 2005 (Hrsg.); Lektüreschlüssel George Orwell, Animal Farm, Stuttgart 2011

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