Die FDP war in der politischen Geschichte der Bundesrepublik immer der Faktor, auf den die Konzerne sich am besten verlassen konnten – wenn es sie gab. Drei Jahre lang hat sie in den 75 Jahres dieses Staates aber auch eine überwiegend positive Rolle für die Menschen im Land gespielt, als liberaler Partner der SPD, als sie von 1969 bis 1972 bei der Friedenspolitik von Brandt und Scheel aktiv mitgewirkt hat. Damals hatte sie außer dem sozialliberalen Außenminister Scheel noch einen anderen Sozialliberalen in ihrem Vorstand, den intelligenten Generalsekretär Karl Hermann Flach, der damals für einige FDP-Beiträge verantwortlich war, die gemessen an dem, was die Linkspartei seit etwa zehn Jahren äußert, quasi linksradikal waren. 1972 kam dann der Rechtsliberale Genscher an die Spitze und damit war das Licht der FDP erloschen. Die FDP wackelte und wackelte und das tut sie bis heute.
Seit 2021, als sie über 11 Prozent bei der Bundestagswahl erreichte, hat es der unfassbar unfähige Leiter dieser Vereinigung geschafft, sie auf 4 Prozent herunterzufahren. Wodurch? Durch die endlose Wacklerei. Beschlüsse und Festlegungen, die die FDP selbst angestoßen, mitentworfen, aber auf jeden Fall unterzeichnet und bestätigt hat, wurden wieder und wieder angezweifelt, schlechtgeredet und schließlich, sofern es möglich war, zunichte gemacht, in Berlin und bei der EU. Die nicht zu überbietende Profilierungssucht dieses heutigen Organs des sogenannten Liberalismus kostet ständig Stimmen, in großem Umfang. Jetzt steht erneut die Existenz der FDP auf der Kippe, aber ihre Anführer und Fernsehstars merken das offensichtlich nicht. Sie wollen es nicht wahrhaben, dass ihr Wackeln sie vollkommen unglaubwürdig macht, deshalb wackeln sie immer mehr und immer öfter, als wollten sie gezielt und bewusst Selbstmord begehen, politischen Selbstmord, bedingt durch die eigene Eitelkeit und Dummheit.
Zum Beispiel der Finanzminister und Parteivorsitzende Lindner, ein Totalversager. Deutschland steckt in der Wirtschaftskrise und jeder weiß seit Keynes und Roosevelt: In der Wirtschaftskrise muss ein Land investieren, um wieder Wachstum zu erzielen, sonst geht es weiter bergab. Was tut Lindner? Er steht auf der Bremse und verhindert Investitionen, im Widerspruch zu allen grundlegenden Kernsätzen der Volkswirtschaftslehre. Er drückt sogar der EU seine vollkommen sinnlose Schuldenbremse auf. Er fordert die anderen Ministerien zum scharfen Sparen auf. Alles total verkehrt! Aber er macht so weiter und auch das kostet ihn wieder Stimmen für seine Partei, denn die vom Sparkurs Betroffenen werden sie nicht mehr wählen, weil dieser Herr seinen Wähler*innen nichts Gutes gönnt, sondern nach irgendwelchen ehernen Parolen aus der Mottenkiste des Neoliberalismus vorgeht und nichts, aber auch gar nichts aus dem Chaos gelernt hat, das der Neoliberalismus angerichtet hat, den kometenhaften Aufstieg der Rechtskonservativen und Rechtsradikalen wie zum Beispiel der AfD eingeschlossen. So sind sie halt, die Neoliberalen: Sie halten sich hundertprozentig an die Pseudowissenschaft Betriebswirtschaftslehre, aber makrowirtschaftliches Denken kennen sie nicht, ihre Perspektive ist borniert und kreist nur um das engste Verständnis des einzelnen Unternehmens, um dessen Kern, das reine Umsatz- und Kostendenken auf der untersten, einfachsten Ebene. Dass ein so denkender Politiker mit der volkswirtschaftlichen Aufgabe eines Finanzministers betraut wird, ist natürlich himmelschreiend falsch. Lindner wird niemals volkswirtschaftliche Zusammenhänge begreifen, das kommt in jedem öffentlichen Statement dieses Herrn zum Ausdruck. Seine Basisannahmen stammen aus der Zeit vor Bismarck – er lehnt nicht nur den Sozialstaat ab, sondern auch die notwendige antizyklische Finanzpolitik auf Bundesebene.
Was sollen die Bürger*innen tun? Eins ist sicher, das ist immer richtig und wird immer richtig sein: niemals die FDP wählen! Drei Jahre gute Arbeit in 75 Jahren ihrer Existenz, das reicht nicht, vor allem dann, wenn das selbst nicht erkannt wird. Die FDP entwickelt sich zu einer Partei von Blindfürsten, die den eigenen Untergang nicht erkennen und nicht verstehen, ihn aber jeden Tag munter betreiben. Ein größeres Ausmaß an politischer Dummheit kann es nicht geben. Aber vielleicht wollen die FDP-Oberen ja diesen politischen Selbstmord? Wie auch immer, wer zu lange und zu stark wackelt, fällt irgendwann um. Und so ein Umfall kann auch mal tödlich ausgehen. Ich finde, die FDP hat genügend angerichtet. Sie sollte sich mit einer sparsamen Abschiedsfeier, auf der viel gewackelt wird, aus der Welt der Politik für immer zurückziehen. Ihr neoliberales Gedankensystem wird auch ohne die FDP weiterleben, stark in AfD und CDU, deutlich in der SPD und bei den Grünen und in Ansätzen auch bei der Linkspartei.
Literatur: Steven Pinker, Aufklärung jetzt: Für Vernunft, Wissenschaft, Humanismus und Fortschritt. Eine Verteidigung, Frankfurt/Main 2018.