Der vorübergehende Bundeskanzler mit Namen Scholz hat sich drei Tage lang in der sogenannten Volksrepublik China, dem Beispiel- und Musterstaat des autoritären Kapitalismus, aufgehalten. Begleitet wurde er vor allem von Vertretern der deutschen Konzerne, Ministern seiner Regierung und einigen Journalisten.
Vor einem Jahr etwa war mir etwas aufgefallen, beim Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten in Berlin. Üblicherweise findet am Ende eines solchen Staatsbesuchs in Berlin eine Pressekonferenz statt, auf der Journalisten dem auswärtigen Gast Fragen stellen können. Aber, offensichtlich auf Wunsch des Chinesen, war das bei dessen Regierungsbesuch beim deutschen Kanzler seltsamerweise nicht der Fall. Mit großer Wahrscheinlichkeit geschah das deshalb, weil man dem lieben Besucher kritische Fragen deutscher Journalisten über die Zustände, Missstände und Unterdrückungsmaßnahmen in der VR China ersparen wollte. Verhindern konnte der Gast diese Pressekonferenz natürlich nicht. Sie wurde also vom Bundeskanzler abgesagt. Er stellte sich schützend vor den Vertreter einer der übelsten Diktaturen in der gegenwärtigen Welt, die mit aller Macht ihrer Elite danach strebt, die Weltherrschaft zu übernehmen und dafür alle Mittel, legale und illegale, einsetzt, um dieses Ziel zu erreichen.
Mit welcher Haltung hat sich Scholz jetzt in China dargestellt? Natürlich wieder als guter und netter Repräsentant eines Landes, das wirtschaftlich eng mit der chinesischen Diktatur verquickt ist, insbesondere durch massenhafte Importe von chinesischen Sachen, die die Deutschen kaufen, weil sie billiger sind als andere (das ist der einzige Grund dafür, dass Deutsche Zeugs aus China kaufen, weil es eben billiger ist). Gleichzeitig sind die Produkte aus der VR China auch schlechter als die anderen, sie halten nicht lange und ihre Qualität ist deutlich geringer. Vermarktet wird der gut getarnte Schrott aber von deutschen Firmen in vielen Branchen, insbesondere von Vertriebskonzernen.
Aber es geht auch um Export, vor allem für große Autokonzerne und zunehmend für Konzerne aus fast allen Branchen, die teilweise auch vor Ort in der Diktatur produzieren. Auch sie waren mit Scholz unterwegs, um sich bei den Führern der autoritären Herrschaft einzuschmeicheln und neue Geschäfte zu tätigen.
In beiden Bereichen, Import und Export, befolgt Deutschland die sogenannten Regeln des freien Marktes. Die Chinesen können ohne Beschränkungen nach Deutschland exportieren und importieren Sachen aus Deutschland. Deutsche Importe nach China unterliegen aber klaren Begrenzungen und werden durch verschiedene Maßnahmen be- oder verhindert. Passiert da etwas? Werden die Chinesen genauso mit Regeln belegt, wie sie deutsche Unternehmen regulieren? Es ist nichts erkennbar.
Und das, obwohl die kriminellen Machenschaften und hinterlistigen Aktivitäten der Diktatur im Wirtschaftsbereich vielfach bekannt, aufgedeckt und bewiesen worden sind. Betriebsspionage, Dumpingpreise, Manipulationen, illegale Verwendung von Wissen und Technik, Niederkonkurrieren ganzer Branchen und Zweige der Industrie anderer Länder (zum Beispiel der Solarindustrie in Deutschland) sind die am stärksten verbreiteten Methoden der VR China im internationalen Feld der Ökonomie, seit vielen Jahrzehnten, und nur dadurch konnte das Land so stark und schnell aufholen, sodass es heute eins der führenden Schwellenländer ist. Dabei ist es weiterhin von extremer sozialer und regionaler Ungleichheit bestimmt und wird es auch bleiben. Der Reichtum konzentriert sich an der Ostküste, der Rest des Landes lebt in tiefer Armut. Die Unfairness im Innern passt logisch zur Unfairness im Äußern. Das ist die VR China heute, die autoritär-kapitalistische Variante einer potenziellen Großmacht, die von der Weltherrschaft träumt und weltweit mit allen größeren Diktaturen eng zusammenarbeitet und dabei auch versucht, Demokratien und Diktaturen, in denen der Populismus blüht, an sich zu binden (Brasilien, Indien, Russland usw.).
Und für die Interessen dieser Diktatur steht der Bundeskanzler ein, wenn er sich für die Verstärkung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der VR China einsetzt und dafür eine große Reisedelegation anführt, in deren Mittelpunkt die deutschen Konzerninteressen stehen. Mag sein, dass er hinter verschlossenen Türen etwas zu Menschenrechten, illegalen Wirtschaftsmethoden und Ähnlichem gesagt hat, aber was bewirkt das? Dadurch, dass es eben hinter dem Vorhang der Meinungsdiktatur geschieht, stärkt es noch deren Unterdrückung der Meinungsfreiheit, denn es bedeutet eine Anpassung an die Strukturen des autoritären Systems. Scholz zeigt mit seinem Verhalten, dass es ihm nicht um die Demokratie oder die Freiheit der Chinesen oder die Interessen der Deutschen an Qualitätsgütern geht, sondern um die Vertretung der Wünsche und Pläne unserer international ausgerichteten Großkonzerne, um das fundamentale Interesse unserer Konzerne an möglichst hohen Profiten, auch und gerade im Land mit dem Dauerweltrekord jährlicher Hinrichtungen.
Literatur: Marcus Hernig, China. Ein Länderporträt, Berlin 2016; Theo Sommer, China First. Die Welt auf dem Weg in chinesische Jahrhundert, München 2019.