Allgemein

Krieg und Frieden

Oberflächlich betrachtet, ist das ein klarer Gegensatz. Wer für den Krieg ist, scheint Frieden abzulehnen, und wer für Frieden ist, lehnt offenbar den Krieg ab. Aber die Dialektik der Wirklichkeit zeigt, dass diese Gegenüberstellung abstrakt und letztlich falsch sein kann.

Sie war zum Beispiel falsch, als im Zweiten Weltkrieg verschiedene Mächte Nazideutschland den Krieg erklärten. Hier traten Länder auf den Plan, deren wirkliches Ziel nicht der Krieg war, sondern die Wiederherstellung des Weltfriedens, die nur durch Krieg gegen das Dritte Reich möglich war. Es gab keine Möglichkeit, den Frieden durch Diplomatie, Verhandlungen, Sanktionen oder andere nicht kriegerische Maßnahmen wieder herzustellen, keine Chance. Das faschistische Dritte Reich musste gestoppt werden, zusammen mit seinen wichtigsten faschistischen Partnern Italien und Japan. Das war nur durch einen militärischen Sieg, durch einen Krieg mit riesigem Aufwand und mit allen Konsequenzen machbar. Die Wiederherstellung des Friedens war nur durch einen Krieg der Welt gegen die faschistischen Mächte zu erreichen. Der Frieden konnte nur durch einen Krieg gewonnen werden – die theoretischen Annahmen über Krieg und Frieden waren vollständig widerlegt, sofern man auf der oben genannten oberflächlichen Ebene verblieb.

Das ist auch jetzt wieder der Fall. Die faschistische Großmacht Russland stört seit vielen Jahren den Weltfrieden und betreibt seit Februar 2022 einen mörderischen Angriffskrieg. Wenn sie diesen Krieg gewinnt, wird sie weitermachen und andere Länder angreifen, um den ihr wesensmäßig innewohnenden Großmachtchauvinismus (ich nenne hier als Beispiele nur die Jahreszahlen 1939, 1953, 1956, 1968, 1979, 1980, als sich dieser in Finnland, Polen, der DDR, der CSSR und Afghanistan offen zeigte) fortzuführen, durch neue Aggressionen, durch neue Kriege gegen Länder, die Russland als Beute ansieht. Russland muss jetzt gestoppt werden, damit es nicht länger den Weltfrieden stören kann. Es muss militärisch besiegt und unter internationale Kontrolle gestellt werden, sein Militär muss zerschlagen werden und sein faschistisches System, in dem die Menschenrechte nicht gelten, in dem systematisch unterdrückt und gefoltert wird, in dem ein faschistischer Apparat alles beherrscht, muss zerstört werden.

Russland muss zu einem friedlichen Verhalten gezwungen werden, durch Krieg. Es gibt keine andere Möglichkeit, keine unmilitärische Methode, um dieses Ziel zu erreichen. Der Frieden in Europa muss durch einen militärischen Sieg gegen Russland wieder hergestellt werden. Danach müssen verschiedene Besatzungsmächte und die UNO in Russland dafür sorgen, dass ein politisch demokratisches System aufgebaut wird und dass das Land sich vom Großmachtchauvinismus verabschiedet. Dass es möglich ist, eine faschistische Aggressionsmacht in Form einer üblen Diktatur von den Aggressionsgelüsten und dem unterdrückerischen politischen System zu befreien, haben die Westmächte nach dem 8. Mai 1945 in Deutschland bewiesen. Es war tatsächlich nur deshalb machbar, weil das Land als militärische Macht vollständig und bedingungslos besiegt wurde und anschließend ein Aufbauprogramm umgesetzt wurde, mit dem die gesamte Bevölkerung demokratisch erzogen und geschult wurde.

Aber selbst wenn das in Bälde passieren wird, Russland sich also sowohl von der faschistischen Diktatur als auch vom militärisch aggressiven Großmachtchauvinismus befreien wird (was sehnlichst zu wünschen wäre) – was die russische Armee und die faschistische Führung des Landes in der Ukraine angerichtet und verbrochen haben, insbesondere an schlimmsten Kinder- und Zivilistenmorden, aber auch an Folter und Terror gegen die unschuldige Bevölkerung, an Zerstörung von Wohnraum und Infrastruktur, das wird die Welt Russland und den Russen nicht vergessen! Nicht in einem Jahrzehnt und nicht in fünf Jahrzehnten, nicht einmal in hundert Jahren. Darüber können sich die heute lebenden Bürgerinnen und Bürger Russlands bei den Deutschen aus erster Hand und sehr konkret informieren. Neunzig Jahre nach dem Beginn der faschistischen Diktatur durch Hitler und seine Verbrecherbande lasten die Verbrechen aus dieser Zeit noch immer auf Deutschland und den heute lebenden Deutschen. Und es ist überhaupt nicht absehbar, dass sie jemals vergessen werden könnten. Die heutige junge Generation in Deutschland wird nicht die letzte sein, die für diese Verbrechen bezahlen muss, in vielfältigen Formen. Russland hat sich durch den Krieg gegen die Ukraine seine eigene Zukunft für lange, lange Zeiten verdorben.

Literatur: Richard Sorg, Dialektisch denken, Köln 2018.

Dr.HeinzArnold

Abitur in Biedenkopf/Lahn, Studium Anglistik, Politik, Geografie, Philosophie, Soziologie, Pädagogik an den Universitäten Heidelberg und Marburg/Lahn, Promotion Dr. rer. pol. Universität Kassel, Lehraufträge in Geografie und Politik an den Universitäten Trier und Kassel, zahlreiche Buch- und Zeitschriftenveröffentlichungen in Politik, Soziologie und Geografie, in der politischen Linken aktiv seit 1968. Bücher u.a.: Linke Politik - eine kritische Einführung, Hamburg 2020; Gesellschaften, Räume, Geografien, Trier 1997; Disparitäten in Europa: Die Regionalpolitik der Europäischen Union - Analyse, Kritik, Alternativen, Basel/Boston/Berlin 1995; Saar-Lor-Lux/Trier-Westpfalz/Wallonie - Strukturen und Perspektiven einer Europäischen Großregion, Trier 1998; Soziologische Theorien und ihre Anwendung in der Sozialgeografie, Kassel 1988; Aldous Huxley, Brave New World, Berlin 2005 (Hrsg.); Lektüreschlüssel George Orwell, Animal Farm, Stuttgart 2011

You may also like...

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *