Sarah Wagenknecht ist auf einer weiteren Station ihrer bunten Politikreise angekommen. In der DDR war sie bei Autoritäten irgendwie angeeckt, sodass sie nicht studieren durfte, obwohl sie grundsätzlich positiv zu dieser staatlichen Kopie der sogenannten Sowjetunion stand (die Sowjets, die Räte, waren schon ab 1921 funktionslos geworden, weil die UdSSR von einer kleinen Clique an der Spitze der KPdSU diktatorisch reguliert wurde).
Zum Ende des seit 1953 nur noch durch die russischen Panzer und Soldaten am Leben gehaltenen seltsamen Gebildes DDR, eines Produkts der stalinistischen Eroberung und Besetzung Ost- und Mitteleuropas, trat sie in die SED ein, offenbar, um die DDR und ihre verlogene und betrügerische Staatspartei noch zu retten.
Weiter ging es in der PDS, der Nachfolgepartei der SED, in der lange Zeit Altstalinisten und Stasi-Agenten wichtige Positionen übernahmen. In dieser Zeit und in den Folgejahren, als aus der Verschmelzung von WASG und PDS die Linkspartei entstand, war Wagenknecht Vorsitzende und prominentes Mitglied der Kommunistischen Plattform; davon distanziert sie sich heute am deutlichsten.
Wagenknecht war anschließend über mehrere Jahre im Vorstand der Linkspartei und im Vorstand der Bundestagsfraktion aktiv. Hier wurde sie recht schnell zur Einzelkämpferin gegen die Hauptströmung der Partei, für die Inklusion und Offenheit für alle, also klassische liberale Forderungen, den Kern der Parteiarbeit bildeten. Sie vertrat eine Position, die sich gegenüber der liberalen Inklusionsstrategie nicht zentral auf die Überwindung der sozialen Ungleichheit und der kapitalistischen Klassengesellschaft konzentrierte, sondern sie redete öfter über Gerechtigkeit und meinte damit, man müsse das kleine und mittlere Kapital schützen und zugleich die Interessen der eingeborenen deutschen Staatsbürger gegen die Zugewanderten verteidigen. Sie wendet sich bis heute scharf gegen eine ökologische Umgestaltung und tritt mit Verve für eine enge wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit mit der russischen Diktatur ein.
2024 hat sie eine eigene Partei gegründet. Das war ihr nur möglich, weil die Linkspartei sie über Jahrzehnte hinweg gefördert, getragen, bekannt gemacht und der Öffentlichkeit präsentiert hat. Wagenknecht hat ihre eigene Partei aus der Linkspartei herausgebrochen und dabei sind ihr einige am Rockzipfel gefolgt, die genauso von der Linkspartei profitiert haben wie sie.
Das Bündnis Sarah Wagenknecht ist eine Mischung aus rechtssozialdemokratischer Rhetorik und konservativem Weltbild mit rechtsextremen Einsprengseln. Es ist bemerkenswert, wie sich aus der Ulbricht-Verehrerin und der Vorsitzenden der Kommunistischen Plattform eine sozialkonservative Politikerin mit einem elitären Parteikonzept entwickelt hat; ihre Partei, die offensichtlich ihr persönliches Eigentum ist, nimmt nur ganz wenige, ausgesuchte Mitglieder auf.
Wagenknecht hat oft und munter gegen die Postmoderne und den neueren Liberalismus gewettert. Jetzt ist sie am Ende eines Weges angelangt, den sie nur deshalb zurücklegen konnte, weil sie selbst ihre Identität nach klassischem postmodernem Muster mehrfach abgelegt und neu gebastelt hat. Sie erweist sich als vollkommen prinzipienlose und nihilistische Populistin, die nur ein Ziel kennt: politische Macht erringen, durch die Anpassung an bekannte rechtskonservative Stimmungen und Vorurteile, unter Verwendung von Ressourcen, die sie sich auf moralisch verwerfliche Weise angeeignet und zweckentfremdet hat.
Gerade ist sie dabei, mit ihrer seltsamen Partei (die irgendwie doch Parallelen zum “linken” Flügel der damaligen Nazi-Partei, der NSDAP, aufweist, mit ihrer Mischung aus vermeintlich linken und offensichtlich rechten Phrasen) in die Landesregierung von Thüringen einzutreten. Die Ergebnisse einer Regierung mit Wagenknechts Organisation sind absehbar – es wird nichts dabei herauskommen. Der postmoderne Nihilismus, dem sie in ähnlicher Weise entspricht wie eine Alice Weidel, ist schon lange gescheitert, aber er blitzt hier und da immer mal wieder auf. Sein Problem ist seit Jahren sichtbar geworden: Man kann ihm und seinen Darstellern, seinen Showmen und Showwomen in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur, kein Wort glauben, denn seine Aussagen sind frei von jeglichem Inhalt, sie sind hier und da eleganter Unsinn, überwiegend aber einfach: nichts. Alles, was wir machen, sind Sprachspiele, so heißt es. Auch die Politik wird durch die Wagenknechts und Weidels unserer Tage zu einem Spiel. Nichts davon ist ernst gemeint. Vermutlich wollen sie uns zum Lachen bringen. Aber es gelingt ihnen nicht, weil die Erfahrungen mit ihren historischen Vorläufern einfach zu grausam sind. Und wir wissen über die Postmodernen, dass sie sehr, sehr flexibel sind und man ihnen alles zutrauen kann. Zum Beispiel auch, dass sie irgendwann selbst zu Nazis werden oder sich in vorauseilendem Gehorsam schon jetzt als Putin-Satrapen anbieten, wer weiß?
Literatur: Jean-Francois Lyotard, Das postmoderne Wissen. Ein Bericht, Graz/Wien 1986; Alan Sokal/Jean Bricmont, Eleganter Unsinn. Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaften missbrauchen, München 1999; Friedrich Nietzsche, Umwertung aller Werte, München 1984; Terry Eagleton, Die Illusionen der Postmoderne. Ein Essay, Stuttgart/Weimar 1997.