Die Diskussion über das Wahlalter läuft bei uns seit Jahrzehnten. Es gab eine gewisse Aufweichung des schwarzen Dogmas, unter 18 dürfe niemand wählen, die Menschen seien sonst zu jung, um dafür die Verantwortung zu übernehmen.
Das ist ein absurder Standpunkt. Bei uns kann ein Mensch mit 14 Jahren zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt werden, Straffähigkeit wird den Jungen also zugemutet, aber wählen dürfen sie nicht. Wofür muss ein junger Mensch denn reifer, erwachsener sein? Für einen zehnjährigen Aufenthalt in einer Strafanstalt oder für den Gang zur Wahlurne? Kann es etwas Unlogischeres geben, als 14-Jährigen die Wahl zu verbieten, sie aber auf lange Jahre ins Gefängnis zu sperren? Auf dieser Grundlage kann es kein tragfähiges Argument geben, das Wahlalter bei 18 zu belassen. Es muss auf 14 herabgesetzt werden oder die Straffähigkeit muss auf 18 hochgezogen werden, etwas anderes ist absolut widersprüchlich. Entweder ich bin ein voller Staatsbürger, in jeder Hinsicht, oder ich bin es nicht. Ich darf massiv bestraft werden, aber ein zentrales Bürgerrecht wird mir verwehrt – das geht überhaupt nicht. Wieso konnte so etwas jemals möglich werden?
Zweites, eindeutiges Gegenargument für ein Wahlalter 16 oder 18 und unbedingt für Wählen mit 14 Jahren: Über diese Altersgruppe, die jungen Menschen, wird ohne irgendeine Legitimation von den Repräsentanten unseres politischen Systems regiert, denn sie sind von ihnen nicht gewählt. Unsere Politiker haben gegenüber den Menschen unter 18 (OK, in einigen Bundesländern dürfen 16-Jährige den Landtag mitwählen) kein Mandat, aber sie bestimmen über sie. Angefangen beim Kindergeld, über das Bildungswesen, die Wirtschafts- und Sozialpolitik und alle anderen Bundes- und Landesregelungen, entscheiden unsere gewählten Politiker über die Menschen, die noch nicht 18 sind, obwohl diese sie nicht gewählt haben. Damit haben sie keine demokratische Legitimation, über alle, die unter 18 sind und deren Leben etwas zu entscheiden. Und wir wissen heute, dass Erwachsensein mit 14 beginnt, dass genau in diesem Alter Strukturen gebildet werden, die Mentalität und Verhalten eines Menschen lebenslang formen, sodass ein 14-jähriger Mensch ein junger Erwachsener ist, der zur Partizipation nicht nur befähigt, sondern auch berechtigt ist.
Auf dieser Grundlage erscheinen mir Diskussionen über ein Wahlalter von 16 längst überholt und konservativ motiviert, ein Wahlalter von 18 Jahren aber vollkommen reaktionär und menschenfeindlich. Wenn es dabei bleibt, wird es die repräsentative Demokratie nicht fördern, sondern schwächen. Sie entzieht sich selbst die Basis, indem sie ihre Wähler nicht ernst nimmt und sich selbst überhöht. Die vorliegenden Argumente gegen ein Wahlalter von 16 oder 14 sind uninformierte Griffe in die Mottenkiste von Leuten, die nicht verstehen, was in der Welt und in der Gesellschaft passiert und die unter Demokratie eher Ausschluss als Inklusion verstehen, letztlich also einem elitären und ungleichen Konzept das Wort reden. Parteipolitisch werden solche “Argumente” natürlich vor allem von den rechten Parteien vorgebracht, also der CDU/CSU und der AfD. Hier wird der Abstand zur Jugend und zur eigenen Gesellschaft, soweit sie sich nicht als Elite darstellt, gepflegt und gestärkt; das politische System sehen diese Parteien als eine Art Überinstanz gegenüber der Bevölkerung an, womit sie zeigen, dass sie den klassischen Kern der Demokratie nicht verstanden haben – die durch nichts zu ersetzende Autorität des Souveräns, der großen Mehrheit der Staatsbürger.
Literatur: Der Jugendrat der Generationen Stiftung, Ihr habt keinen Plan. Darum machen wir einen. 10 Bedingungen für die Rettung unserer Zukunft, München 2019