2013 wurde Harry Belafonte von Amnesty International zum Botschafter des Gewissens ernannt. Das sagt viel, vielleicht sogar alles über ihn. Jetzt ist er mit 96 gestorben, aber er lebt weiter, als eine der wichtigsten metaphysischen Instanzen Amerikas, nein: der gesamten Welt. Denn sein Denken war ausschließlich positiv und zugleich aktiv, alle Kontinente übergreifend. Sein Esprit ist weiter bei uns, er hat uns auch in physischer Abwesenheit noch eine Unmenge zu sagen. Er hat pausenlos Leistung erbracht, Harry war ein wirklicher Leistungsträger, aber nicht im Sinn der neoliberalen Ideologen, sondern im Geist des Humanismus und des Fortschritts der Menschheit und zugleich jedes Einzelnen, den er kannte und mit dem er zu tun hatte.
Er gehört zu den wenigen, die eigentlich kein Interesse an Geld haben, schließlich aber darin schwimmen, um – ja, was? Ein Leben in Saus und Braus zu führen, im Luxus zu wohnen, verschwenderisch zu konsumieren, zwölf Zylinder donnern zu lassen, sich Monopole und Zinsen zu verschaffen, Steuern zu vermeiden, sich Menschen und anderes zu kaufen, immer und überall Wettbewerb und Feindschaft zu vermuten? Harry ließ von seiner ersten Million ein Krankenhaus bauen, er spendete große Summen für soziale und humane Einrichtungen, er half genialen Künstlern, als sie noch keiner kannte, er stand immer und überall auf der Seite der Unterprivilegierten, der Verfolgten, der Unterdrückten, der Verjagten, der Ermordeten.
Außerdem, das muss gesagt werden, auch wenn er es nie so richtig hören wollte, war er selbst ein Mensch mit wahnsinnig starken und intensiven Talenten. Sänger, Schauspieler, Entdecker, Talentförderer, Redner, Agitator, Autor, Spender, Organisator, die Liste ist fast endlos, alles Tätigkeiten, von denen er jede singulär nutzen konnte, um sein Leben zu verdienen, er war so polyvalent wie sonst niemand. Dass er dabei seinen roten Faden nicht verloren hat, liegt ebenfalls an seinem Gewissen, das ihm stets sagte: Du bist auf dem richtigen Weg, wenn du den Richtigen hilfst, wenn du ihnen materielle Unterstützung gibst und sie gleichzeitig moralisch aufbaust. Darum ging es ihm, dem besten Botschafter, den die USA je hatten. Dieser beste Botschafter seines Landes war er, weil er überall auf der Welt sein Gewissen zeigte, oft genug gegen die herrschende Klasse und gegen die herrschende Politik seines Heimatlands. Gegen den Vietnamkrieg, gegen den Irakkrieg und gegen jede Art von Aggression und Heuchelei. Gegen alle, die den Traum von Demokratie und Gleichheit vergessen haben oder zerstören wollen. Und für eine Kultur, in der alle gleichberechtigt sind, die auf dem Globus leben.
Angesichts seines Todes war für mich neu, dass von ihm das fantastische “We are the world” stammt. Daran waren noch andere Berühmte beteiligt, das wusste ich, aber dass Belafonte der Ideengeber war, habe ich erst jetzt verstanden. Ein besseres Symbol für sein Leben kann es wohl kaum geben. We are the world, darum geht es, die eine Welt für alle zu schaffen, in der keine/r benachteiligt wird. Folgen wir Harry auf diesem Weg, mit seinen Liedern und seinen Gedanken.
Literatur: Harry Belafonte, Was mich bewegt. Gespräche mit Günter Amendt, Hamburg 1982