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Butscha und die Waffen-SS

Nach einem Jahr der Entdeckungen von Butscha bei Kiew gilt es festzuhalten: Was die russische Armee dort verbrochen hat, entspricht dem, was die Waffen-SS vor etwa 80 Jahren im Rahmen des Angriffs auf die UdSSR im Regelfall getan hat. Wenn die NS-Armee, die deutsche Reichswehr, einen Ort erobert und die dort befindlichen Männer, häufig natürlich Soldaten, getötet oder gefangengenommen hatte, folgte die Waffen-SS, sobald die Reichswehr den Ort verlassen hatte. Ihre Aufgabe ging noch weit über das hinaus, was die Reichswehr mit ihrem Morden betrieb. Die Waffen-SS nahm sich diesen besiegten Ort noch einmal vor, sehr “gründlich” im Sinn der damaligen faschistischen Überfallstruppen Hitlers. Sie durchkämmte diesen Ort auf jedem Quadratmeter, in jedem Gebäude und tötete alle Frauen, Kinder und die Männer, die zu alt oder zu jung für das Soldatsein waren, vermutlich sogar alles, was sich bewegte, also auch die Haustiere, die Kühe und Hühner und was überhaupt noch lebte. Allerdings töteten sie nicht nur, sie zeigten ihre unbegrenzte Brutalität und Menschenverachtung auch noch durch Folterungen und Vergewaltigungen, durch jede denkbare Form von unmenschlichen Handlungen, sie begingen täglich und jeden Folgetag erneut nichts als Kriegsverbrechen.

Genau dieser Spur unvorstellbarer Kriegsverbrechen als systematischem Handeln folgt die heutige Armee Russlands in ihrem Angriffskrieg auf die Ukraine. Sie hat Butscha exakt nach diesem Muster hinter sich gelassen und nach dem Vorbild der Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg zerstört. Sie hat nach umfangreichen Folterungen und Vergewaltigungen die Zivilbevölkerung, Frauen und Kinder eingeschlossen, hingerichtet, das Leben aller Unbeteiligten, die sie töten konnten, beendet und unendliche Schuld auf sich geladen. Sie hat der Welt offen demonstriert, was den bisher nicht von Russland besetzten Gebieten blüht, wenn die Ukraine sich auf einen Waffenstillstand oder einen Siegfrieden zugunsten der faschistischen Eroberungsmacht einlassen würde. Butscha steht für den heutigen Zustand der russischen Armee, der russischen politischen Führung und das Denken der heutigen großen Mehrheit der russischen Bevölkerung, die diesen perversen Krieg mitträgt. Es ist eine Schande für die Menschheit, dass die Mörder und Folterer von Butscha vom faschistischen Führer Russlands nach ihrem Abzug ausdrücklich besonders geehrt und ausgezeichnet wurden. Hier wurden die schlimmsten Kriegsverbrecher des 21. Jahrhunderts, eine nicht zu übertreffende Mörderbande in Soldatenuniform, für ihre Untaten, die einfach unmenschlich waren, noch belobigt. Diese Belobigung zeigt, wie stark Russland heute in den Spuren des Hitlerregimes in Deutschland und seiner militärischen Kräfte wandelt und jede menschliche Würde verloren hat.

Ich gehe davon aus, dass nach dem Ende dieses Kriegs noch etliche andere Orte mit ähnlichen Kriegsverbrechen offenbart werden und dass die russische Armee Butscha weithin als Muster ihrer unfassbaren Brutalität benutzt, dass die dortigen Ereignisse für diese Armee nichts Besonderes darstellen, denn der Faschismus hat nicht nur seine typischen Verhaltensweisen im gesellschaftlichen Bereich, sondern auch im Kriegsgeschehen. Es geht ihr um die totale Vernichtung des ukrainischen Volks, eine rassistische Strategie, die eine klare Parallele zur Vernichtungsstrategie der Hitlerfaschisten gegen das jüdische Volk bildet. Faschismus bedeutet nicht nur Mord und Totschlag im Innern und nach außen, sondern auch tödlichen Rassismus gegen andere Völker. Wie hat sich der russische Führer über Polen geäußert? Bestreitet er nicht auch diesem Land seine Existenzberechtigung? Hatten die deutschen Faschisten nicht nur die Juden, sondern auch alle Osteuropäer als gefährlich bzw. minderwertig bezeichnet? Was würde die Großmacht Russland mit Polen und seiner Bevölkerung veranstalten, wenn es ihr gelänge, die Ukraine zu vernichten? Was würde sie mit Moldawien, Estland, Lettland und Litauen machen? Sind das nicht jetzt schon rein rhetorische Fragen?

Literatur: Timothy Snyder, Bloodlands. Europa zwischen Hitler und Stalin, München 2011; Mark Belorusez, Leichnam des Imperiums. Die Tage ähnelten einander. Wie sich ein unheimlicher Traum wiederholt, in: Lettre International 140, 2023, S. 7-10; Nikolai Kononow, Zum Verräter gemacht. Süße Starre und toxische Substanzen – Werdegang einer Generation, in: Lettre International 140, 2023, S. 13-15.

Dr.HeinzArnold

Abitur in Biedenkopf/Lahn, Studium Anglistik, Politik, Geografie, Philosophie, Soziologie, Pädagogik an den Universitäten Heidelberg und Marburg/Lahn, Promotion Dr. rer. pol. Universität Kassel, Lehraufträge in Geografie und Politik an den Universitäten Trier und Kassel, zahlreiche Buch- und Zeitschriftenveröffentlichungen in Politik, Soziologie und Geografie, in der politischen Linken aktiv seit 1968. Bücher u.a.: Linke Politik - eine kritische Einführung, Hamburg 2020; Gesellschaften, Räume, Geografien, Trier 1997; Disparitäten in Europa: Die Regionalpolitik der Europäischen Union - Analyse, Kritik, Alternativen, Basel/Boston/Berlin 1995; Saar-Lor-Lux/Trier-Westpfalz/Wallonie - Strukturen und Perspektiven einer Europäischen Großregion, Trier 1998; Soziologische Theorien und ihre Anwendung in der Sozialgeografie, Kassel 1988; Aldous Huxley, Brave New World, Berlin 2005 (Hrsg.); Lektüreschlüssel George Orwell, Animal Farm, Stuttgart 2011

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