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Die Wärmepumpe: wie der neue Green Deal funktioniert

Der Klimawandel wird bei uns, so sieht es aus, heftig bekämpft. Ständig wird versucht, Zielwerte und Zieldaten zu verstärken bzw. vorzuziehen, damit die Erderwärmung möglichst noch abgemildert oder in manchen Bereichen vielleicht sogar verhindert werden kann. Das ist die eine zentrale Schiene der Diskussionen, die andere sind die technischen und technologischen Schritte, also letztlich die Technik und die Maschinen, mit denen die Klimakatastrophe abbremsbar erscheint. Natürlich sind beide Ebenen notwendig und logisch, das versteht sich. Politik muss ihre Termine und langfristigen Daten festlegen und darüber hinaus darstellen, mit welchen Mitteln sie ihre Ziele erreichen will.

Zu den technischen Mitteln gehören, wie wir wissen, Batterieautos, Solarplatten und viele andere Dinge. Jetzt kommt irgendwie überraschend für manche plötzlich ein Vorstoß vom grünen Wirtschaftsminister zum Thema Wärmepumpe. Dabei wird möglicherweise mit fantastischen Zahlen hantiert, denn das schnelle Einbauen neuer Wärmepumpen, die zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes beitragen, hängt von Faktoren ab, die offensichtlich schwer zu gewährleisten sind, wie etwa einer großen Zahl von Handwerkern, die den Aus- und Einbau durchführen müssten, die es aber in diesem Land nicht gibt. Ob das also machbar ist, was der Vizekanzler gerne hätte, ist ungeklärt. Grundsätzlich spricht vieles dafür, alles zu beschleunigen, was die CO2-Werte reduzieren kann.

Bemerkenswert an diesem Vorgang ist das Typische, das Allgemeine dieses Vorgangs in unserem Wirtschaftssystem. Dieses kapitalistische System mit seinen eindeutig erkennbaren und bekannten Trägern und Säulen ist bis auf den heutigen Tag die entscheidende Ursache für die Zerstörung der Natur und für die Erderwärmung geblieben. Alles, was die Natur bietet, hat der Kapitalismus verwertet, um Gewinne zu erwirtschaften, ohne Rücksicht auf soziale oder ökologische Aspekte und Fragen. Wir wissen heute, dass einige hundert große Unternehmen für etwa 80 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich sind, private Großunternehmen, die kapitalistisch arbeiten. Entsprechendes gilt auch für Deutschland. Natürlich gibt es heute einige soziale und ökologische Vorschriften und Regelungen für die Konzerne, aber die Grundsituation bleibt doch bestehen: Die Natur wird von den kapitalistischen Konzernen genutzt, vernutzt und zerstört, durch die von ihnen bestimmte Wirtschaftsweise, begleitet von staatlichen Einrichtungen, die diese Wirtschaftsweise mittragen und als Lebensweise für bzw. gegen die Bürgerinnen und Bürger politisch umsetzen. Die reichsten 500 Millionen Menschen (mit über 100.000 Euro Jahreseinkommen), also sieben Prozent der Weltbevölkerung, sind für fünfzig Prozent des Ausstoßes von Treibhausgasen weltweit verantwortlich. Den Kernbereich in Bezug auf das CO2-Thema bilden die fossilen Energien, nach wie vor. Pläne zum Gegensteuern liegen vor und zielen vor allem auf die Veränderung der Energien, auf erneuerbare Energien, die die Umwelt nicht weiter belasten sollen, Windenergie, Erdwärme, Wasserenergie, Sonnenenergie.

Was bedeutet nun das Beispiel Wärmepumpe? Möglicherweise wird ihr millionenfacher Neueinbau in Deutschland tatsächlich im Bereich der Wohnheizungen die CO2-Werte in diesem Land deutlich verringern; das wäre ein positiver Schritt gegen die Klimakatastrophe. Ein Element des Kampfes gegen die Erderwärmung, eine gute Sache, oder?

Die Werte und Zahlen würden sich verbessern, sicherlich. Das könnte der neue Green Deal, die Umstellung der kapitalistischen Wirtschaft und Gesellschaft auf umweltverträgliche Inhalte und Methoden, wohl wirklich erreichen, die Umweltbelastung könnte geringer werden, als sie es heute ist. Was aber nicht möglich sein wird ist so etwas wie ein grünes Wachstum, also eine Wirtschaft, die quasi umweltneutral arbeitet. Das ist ein Märchen, das nie Wahrheit werden kann. Denn Wirtschaft bedeutet Nutzung, Vernutzung und Verschmutzung von Natur. Industrielle und heutige Wirtschaft sind auf die Verwendung von Natur angewiesen, und aus dieser Zwickmühle führt kein Weg heraus – höchstens die irre Fiktion, in die Urzeit von Jäger- und Sammlergesellschaft zurückzukehren, und selbst in dieser ersten Form menschlicher Wirtschaft wurde die Natur genutzt, vernutzt und auch zerstört, allerdings auf sehr niedrigem Niveau.

So schön der Marxsche Impuls seit fast 200 Jahren klingt – wir sollen die Natur für die nächste Generation in einem besseren Zustand zurücklassen, als wir sie selbst vorgefunden haben – es ist ein Wunschtraum. Wir wissen doch alle, dass auch der Konsumverzicht kein grünes Wachstum bringt, bei acht Milliarden Menschen in unterschiedlich entwickelten Ländern. Wir wissen und leugnen ständig, dass ein Batterieauto schon vor der ersten Fahrt den ökologischen Aufwand eines Kfz mit Verbrennungsmotor hinter sich hat, als wäre das Auto mit Verbrenner bereits fünfzigtausend Kilometer gefahren. Wir wissen, dass die Solarpaneele für ihre Herstellung erhebliche Naturbelastungen bedingen. Und was ist mit den Umweltbelastungen, die durch die Digitalisierung bevorstehen, durch die Chip- und Halbleitertechniken?

Zurück zur Wärmepumpe. Davon werden also Millionen gebraucht, als Mittel gegen den CO2-Ausstoß. Wer stellt sie her? Wie werden sie hergestellt? Das ist der kapitalistische Teufelskreis – wenn man nur bei quantitativen Zielen und Zahlen und bei technischen Mitteln bleibt – von denselben Konzernen, die vorher den CO2-Ausstoß produziert und damit Milliarden verdient haben. Wer stellt die Batterieautos her? Wieder dieselben Konzerne, die vorher mit den Verbrennern dafür gesorgt haben, dass riesige Mengen CO2 in die Atmosphäre geblasen wurden, wo sie auf lange Zeit bleiben, denn sie sind sehr “nachhaltig”. Die Pumpen werden wie alle anderen Produkte unter kapitalistischen Bedingungen hergestellt und vertrieben. Das heißt, die grüne Wirtschaft bleibt im Kern so wie sie vorher war: kapitalistisch. Die Konzerne behalten ihre Macht, sie wechseln nur das Produkt. Die sozialökonomischen Verhältnisse bleiben unberührt, der klassische Hersteller von konventionellen Industrieprodukten wird zum grünen Produzenten. Ein Prozess, den die Großunternehmen des Kapitalismus seit Jahrhunderten oft genug durchgespielt haben; sie wechseln bei Bedarf das Produkt, sie wechseln auch mal den Standort oder die Region.

Aber wir können fragen, ob das sein muss. Vielleicht auch noch vorab, ob die vermeintlich grüne Ökonomie nicht schon jetzt das passende und entscheidende propagandistische Marketinginstrument besitzt; es wird allmählich immer offensichtlicher: Greenwashing. Das ist das dominierende Werbemittel für die grüne Ökonomie. Symbole, Hinweise, Etiketten, Beschreibungen von allen möglichen Produkten täuschen eine Umweltverträglichkeit oder -schonung vor, die real nicht existiert, siehe Elektroauto. Jeder weiß es, aber der Zug fährt. Der Kapitalismus ist in Wirtschaftseliten und politischen Führungskräften tief verankert, auf die Wahrheit kommt es da nicht an, die Dynamik muss laufen, letztlich geht es ja um die Verhinderung der Klimakatastrophe. Wobei in diesen Kreisen natürlich gewusst wird, dass alle im Raum stehenden Zahlen und Zielwerte nach aller Wahrscheinlichkeit nicht erreicht werden, denn in wie vielen Ländern gibt es starke grüne Parteien in der Regierung, wo wird so intensiv an der nachhaltigen Umstellung der Wirtschaft gearbeitet wie in Deutschland, was richtet allein China an mit seinen mehr als elfhundert Kohlekraftwerken? Was verursachen die Ölstaaten und Russland Tag für Tag mit ihren fossilen Umsätzen?

Dann wird sich vielleicht auch die Frage stellen, wie viel Natur verbraucht die Herstellung der Wärmepumpen? Aber schockierend ist für mich vor allem eins: Aus dem fossilen Kapitalismus wird grüner Kapitalismus, mit denselben Machtstrukturen, denselben Reichen, denselben Konzernen, denselben Mechanismen in Wirtschaft und Gesellschaft, denselben Gewinnen, derselben sozialen Ungleichheit, derselben Bildungsungerechtigkeit, demselben international ungleichen Tausch. Nur die Produkte, mittels derer alle diese Elemente der Krisen und Miseren bisher getragen wurden, ändern sich. Die Verhältnisse ändern sich nicht. Das ist der neue Green Deal, die grüne bzw. halbwegs grüne Ökonomie der Zukunft. Für wen lohnt sich das am Ende?

Literatur: Bruno Kern, Das Märchen vom grünen Wachstum. Plädoyer für eine solidarische und nachhaltige Gesellschaft, Zürich 2019; Paul Hawken, Amory und Hunter Lovins, Öko-Kapitalismus. Die industrielle Revolution des 21. Jahrhunderts. Wohlstand im Einklang mit der Natur, Gütersloh 2000; Kathrin Hartmann, Die grüne Lüge. Weltrettung als profitables Geschäftsmodell, München 2018; Andrew Sayer, Warum wir uns die Reichen nicht leisten können, München 2017; Heinz Arnold, Linke Politik. Eine kritische Einführung, Hamburg 2020.

Dr.HeinzArnold

Abitur in Biedenkopf/Lahn, Studium Anglistik, Politik, Geografie, Philosophie, Soziologie, Pädagogik an den Universitäten Heidelberg und Marburg/Lahn, Promotion Dr. rer. pol. Universität Kassel, Lehraufträge in Geografie und Politik an den Universitäten Trier und Kassel, zahlreiche Buch- und Zeitschriftenveröffentlichungen in Politik, Soziologie und Geografie, in der politischen Linken aktiv seit 1968. Bücher u.a.: Linke Politik - eine kritische Einführung, Hamburg 2020; Gesellschaften, Räume, Geografien, Trier 1997; Disparitäten in Europa: Die Regionalpolitik der Europäischen Union - Analyse, Kritik, Alternativen, Basel/Boston/Berlin 1995; Saar-Lor-Lux/Trier-Westpfalz/Wallonie - Strukturen und Perspektiven einer Europäischen Großregion, Trier 1998; Soziologische Theorien und ihre Anwendung in der Sozialgeografie, Kassel 1988; Aldous Huxley, Brave New World, Berlin 2005 (Hrsg.); Lektüreschlüssel George Orwell, Animal Farm, Stuttgart 2011

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