Der französische Staatspräsident hat sich mit seiner massiven Rentenkürzung – eine Erhöhung des Bezugsalters um zwei Jahre ist eine gewaltige Kürzung – über alles hinweggesetzt, was demokratisch genannt werden kann. Er hat eine Möglichkeit des französischen politischen Systems genutzt, die vom damals quasi putschenden General de Gaulle eingebaut wurde: Entscheidung per Ordre de Mufti; der Kaiser oder der Monarch oder der Diktator oder der Präsident erlässt ein Dekret frei von jeglicher Mitbestimmung durch ein demokratisches Gremium und damit basta! Er handelt wie ein lokaler Adelsherr im Mittelalter: Ein Wort aus blauem Blut reicht, dann wird gekuscht. Wer sich widersetzt, muss mit allem rechnen. Im Mittelalter waren das Folter und Tod, und auch heute kann es physische staatliche Gewalt sein.
Hinzu kommt natürlich, und das passt eigentlich perfekt in diesen barbarischen, vordemokratischen und damit auch vorsokratisch dummen Akt, dass es für die Notwendigkeit dieser Rentenkürzung bzw. Rentenalterserhöhung überhaupt keine wissenschaftlich tragfähige Begründung oder entsprechende Analysen gibt, seriöse Hochrechnungen oder Prognosen liegen nicht vor. Es ist der politische Kraftakt eines Mannes, der mit der Mehrheit der Französinnen und Franzosen nichts gemein hat, eines elitären Politikers, der jeden Bezug zur Lebenswelt normaler Menschen verloren hat. Er legt sich einfach mal mit der Mehrheit an, womöglich, um herauszufinden, ob diese Maßnahme gegen die Massen durchkommt und anschließend der weitere Abbau des Sozialstaats betrieben werden kann. Nach dem Motto der absolutistischen Monarchie: Der Staat bin ich, was ich will, wird gemacht!
Ich wünsche allen Bürgerinnen und Bürgern unseres Nachbarlandes, dass sie mit ihrem Widerstand erfolgreich sind, dass diese unendlich arrogante Maßnahme, die letztlich selbst ein Putsch gegen die Demokratie ist, gegen den Sozialstaat, niemals Realität wird und dass dem Präsidenten Macron dieser Vorgang so auf die Füße fallen wird, dass er seinen derzeitigen Job verliert. Frankreich hat Besseres verdient! Macron gehört in Rente geschickt. Direkt, nicht erst in zwei Jahren. Keine Rentenalterserhöhung für diesen Präsidenten!
Literatur: Urs Marti, Demokratie – das uneingelöste Versprechen, Zürich 2006; Reinhard Mehring, Carl Schmitt zur Einführung, Hamburg 1992; Franziska Heinisch, Wir haben keine Wahl. Ein Manifest gegen das Aufgeben, München 2021.