Jetzt freuen sich die Freunde von Putin und Trump, den Anführern des weltweiten Faschismus unserer Tage. Sie sagen: Ätsch, die Ukraine hat den Krieg verloren. Das haben wir doch immer gesagt und jetzt steht es fest. Russland hat gewonnen!
Irgendwie stimmt das nicht so ganz. Irgendwie ist das eine der vielen Unwahrheiten, mit denen sich die Großrussen, die Aggressoren seit tausend Jahren, immer wieder über ihre Niederlagen wegbelügen. Noch heute behaupten sie – und ihre pathologisch-russophilen Anbeter, u. a. auch aus Deutschland – sie hätten den Krieg gegen Finnland im Winter 1939 oder den Krieg in Afghanistan ab 1979 gewonnen. So müssen sie es wohl hinbiegen, wenn sie ihr Imperium und den mehr als tausend Jahre alten imperialen Mythos am Leben erhalten wollen, die elenden Imperialisten und Eroberer, die führenden Faschisten des 21. Jahrhunderts, die übelsten Kinder- und Massenmörder nach dem Jahr 2000. Sie beherrschen die mieseste Technik der Öffentlichkeitsarbeit, die darin besteht, dass man sich selbst belügt und etwas vormacht, um immer so weitermachen zu können, um ewig im Fluch des Imperiums verharren und sich aufspielen zu können, auf Kosten vieler Millionen Menschen, die dem Imperium nichts getan haben – ihr Vergehen ist ihre Existenz, ihre Anwesenheit in der Nähe von Russlands Grenzen, dafür müssen sie bestraft werden. Denn Russland hat ein Prinzip, vom alten kleinen Moskau übernommen, das auf die Ewigkeit hin konzipiert ist: Es sammelt russische Erde ein. Dazu müssen alle wissen: Russische Erde findet sich innerhalb und außerhalb der gerade bestehenden Grenzen des großrussischen Reichs und wenn sich mal wieder welche außerhalb der Grenzen zeigt, dann werden die Grenzen flott und mit aller Macht erweitert, dann muss das Reich mal wieder vergrößert werden. Gegen den Fluch des Imperiums kann man einfach nichts machen, dass müssen die Nicht-Russen doch verstehen. Russland ist nun mal was Besonderes und darf das. Wer das nicht verstehen will, für den reden wir als Russen eine Weile und ganz gezielt darüber, dass wir uns bedroht fühlen, dass unsere jetzigen Grenzen nicht sicher sind und wir sie folglich weiter nach außen verschieben und uns mal wieder etwas Land von den anderen nehmen müssen. Russland kann nur als imperiale Großmacht leben, der Fluch des Großreichs verpflichtet uns halt.
Das ist die Grundlüge Russlands, seit es in der Welt ist und sein Unwesen treibt. Es hat gleichzeitig mit ihm viele andere Imperien gegeben, spanische, britische, osmanische, portugiesische, französische, deutsche. Sie alle haben ihre Untaten begangen und die Welt oft genug nicht besser, sondern schlechter gemacht, andere Völker unterdrückt und gemordet, was das Zeug hält – es waren unfassbare Schandtaten gegenüber anderen Ethnien und Regionen. Aber sie haben bis zum Ende des 20. Jahrhunderts alle ihren imperialen Fluch abgelegt, indem sie ihre Großreiche aufgegeben oder verloren haben und viele von ihnen haben ihre üble Vergangenheit und ihren Größenwahn zuerst verarbeitet und dann auch überwunden. Sogar die Weltmacht des 20. Jahrhunderts hat seit bald 20 Jahren ihre imperialen Impulse stark reduziert und ist dabei gewesen, sie aufzugeben (was sie jetzt unter Trump in dieser Hinsicht tun wird, ist noch nicht ganz klar, aber er scheint sich erneut als Weltpolizist aufspielen zu wollen, womöglich noch mehr als Räuber). Eine solche Verarbeitung und Aufgabe der imperialen Vergangenheit hat auch Deutschland geleistet, leider nicht mehr zu Lebzeiten der Nazi-Generationen, aber doch ab etwa 1990 relativ umfassend.
Die Situation, in der wir in Europa heute leben, ist gefährlich, denn die Großrussen von heute sind vollkommen durchgedreht. Sie haben nicht einmal kapiert, was in der Ukraine passiert ist und werden vermutlich in wenigen Jahren andere Teile Europas überfallen; ihre Aggressivität kann man nur unterschätzen. Und ihre Freunde in Deutschland und anderswo haben genauso wenig verstanden, was passiert ist; deshalb sollten sie und die Großrussen sich nicht übernehmen. Sie können noch viel Übles anrichten, aber sie können niemals gegen Europa einen Krieg gewinnen, auch wenn sich die USA raushalten – was wahrscheinlich ist, solange dort die Faschisten regieren.
Denn Tatsache ist: Diesen Krieg hat Russland verloren, und zwar schon in den ersten paar Wochen. Die Großrussen mit ihrem Westentaschen-Adolf an der Spitze wollten die gesamte Ukraine erobern, ihre Regierung beseitigen und die gesamte Bevölkerung versklaven. Und was haben sie erreicht? Gemessen an diesen Zielen hat der Goliath Russland gegen den Zwerg Ukraine – und zwar gegen die in der ersten Phase vollkommen allein kämpfende Ukraine – nichts erreicht, was mit dem Begriff “Sieg” bezeichnet werden könnte. Sie haben etwas ukrainische Erde eingesammelt und viele Millionen Menschen für alle Zeiten mit ewigem Hass auf Russland versorgt, sie haben etwa 20 Prozent der Fläche der Ukraine gestohlen und viele Häuser und Einrichtungen zerstört und Zehntausende Menschen abgeschlachtet. Aber sie haben kein einziges ihrer verkommenen Kriegsziele erreicht. Wenn man es quantifizieren sollte, hat die Ukraine diesen Krieg mit 80 zu 20 gewonnen, gegen das großrussische Imperium, das die sich allein verteidigende demokratische Ukraine nicht erobern konnte und sich vor der Geschichte und der Menschheit in Grund und Boden schämen muss, und mit ihm die ganz große Mehrheit seiner Bevölkerung, die diesen versuchten Völkermord bis heute mitträgt und unterstützt. Was soll man diesem Russland heute, zusätzlich zu seiner fast vollständigen Niederlage, anderes sagen als: Pfui Teufel! Wir wollen mit euch nichts mehr zu tun haben. Wenn ihr euch nicht von eurem imperialen Fluch freimacht, könnt ihr uns gestohlen bleiben! Und legt euch nicht mit Europa an, das wird euer Ende!
Literatur: Martin Schulze Wessel, Der Fluch des Imperiums. Die Ukraine, Polen und der Irrweg in der russischen Geschichte, München 2025; Timothy Snyder, Der Weg in die Unfreiheit. Russland, Europa, Amerika, München 2019; Jörg Himmelreich, Die deutsche Russland-Illusion. Die Irrtümer unserer Russland-Politik und was daraus folgen sollte, Köln 2024.