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Die neue Harzburger Front

Es war absehbar, dass die Tendenz zur Zusammenarbeit von CDU und AfD im Verlauf der anhaltenden Rechtsentwicklung nicht von einer angeblichen Brandmauer behindert werden würde. Wer in die Geschichte zurückschaut, und das müssen wir in Deutschland leider immer noch und immer wieder, findet vor fast 100 Jahren ein interessantes Datum. Am 11. Oktober 1931 trafen sich in Bad Harzburg die Führer des rechten Spektrums in der Weimarer Republik auf Einladung von Alfred Hugenberg, dem rechten Pressezar dieses Staates, um über eine engere Kooperation zu reden.

Die hier gegründete sogenannte Harzburger Front war ein gewisser Endpunkt der gemeinsamen vorherigen Arbeit von NSDAP und DNVP; hier begann eine neue Phase, die nur 16 Monate später mit dem großen Sieg der Rechtsradikalen zur Ernennung des neuen Reichskanzlers Adolf Hitler durch den damaligen Reichspräsidenten Hindenburg in den größten Erfolg der deutschen Faschisten mündete. Es ist gut möglich, dass die heutige erste Annahme eines CDU-Antrags durch die Unterstützung der AfD im Bundestag eine Entwicklung einleitet, die für die deutsche Demokratie ziemlich gefährlich werden kann.

Natürlich gibt es keine vollkommen kongruente historische Genese in der Politik, aber es gibt Parallelen und Ähnlichkeiten und auf diese hinzuweisen hat nichts mit Übertreibung oder Verharmlosung zu tun. Die aktuellen Umfragewerte der AfD liegen über 20 Prozent, sie wird bei der Wahl am 23. Februar vermutlich zweitstärkste Partei werden. Das zeigt, wie nah unsere Demokratie an einer grundlegenden Krise ist und dass ihre Basis instabiler wird, denn Rechtsextremisten in der Opposition sind zwar unangenehm und bewirken schon einen hohen Prestigeverlust für dieses Land, aber wenn sie an der politischen Macht sind, ist der Bestand der demokratischen Werte und Säulen in großer Gefahr – das macht uns gerade ein Donald Trump in den USA überdeutlich.

Das Spektrum der in Bad Harzburg Versammelten ähnelt durchaus dem Bereich, den CDU und AfD zusammen repräsentieren. Damals trafen sich Faschisten, Rechtskonservative, Deutschnationale und Nationalisten und schlossen ein enges Bündnis (was den Linken nie gelang, weil Stalin und seine devoten Kommunisten in der KPD es nicht wollten), mit dem sie die Weimarer Republik beseitigten und eine faschistische Diktatur errichteten, die bis 1945 Europa in Schutt und Asche legte. Dasselbe politische Spektrum ist heute in fast identischem Umfang vertreten, wenn AfD und CDU zusammengehen. Deshalb muss einfach davor gewarnt werden, dass sich jedes weitere Kooperieren dieser beiden Parteien für die Existenz der bundesdeutschen Demokratie verheerend auswirken kann.

Dabei ist zu bedenken, dass Diktatur und Krieg zwar das Werk der NSDAP waren, aber diese Partei hätte allein niemals eine Mehrheit bekommen können – in demokratischen Wahlen blieb sie immer unter 40 Prozent. Es waren die Deutschnationalen, die sie als Steigbügelhalter an die Macht brachten und ihr zu Mehrheiten im Parlament verhalfen. Diese Deutschnationalen haben heute keine eigene Partei mehr, aber sie sind noch da, in großer Zahl, allerdings verteilt auf CDU und AfD, ebenso die Nationalisten. Die Faschisten sind auch noch vorhanden, aber fast alle in der AfD, die Rechtskonservativen verteilen sich wieder auf beide Parteien. Insofern ist das, was sich hier anbahnt, keine volle Wiederholung der Geschichte der Weimarer Zeit, aber es ist eine klare Parallele – Faschisten, Deutschnationale, Nationalisten und Rechtskonservative maßen sich tatsächlich an, die Demokratie erneut zu gefährden bzw. zu beseitigen. Und sie schließen sich in verschiedenen Etappen und Schritten zusammen, aber weniger offen, weniger gut sichtbar, weil sie sich anders auf die beiden Parteien im rechten Bereich verteilen. Das ist nicht verwunderlich, denn der Faschismus wird nicht so dumm sein, in genau derselben Form und mit denselben proklamierten Inhalten aufzutreten wie vor hundert Jahren. Er bleibt trotzdem Faschismus – ein System der brutalen Unterdrückung und des Massenmords, dessen Wege in Auschwitz enden.

Der kurze Blick in die Geschichte kann zum Verständnis dessen beitragen, was heute im Bundestag passiert ist – nichts Gutes für die Freiheit der Bürger und die politische Demokratie. Es ist absehbar, dass es einen schweren und intensiven Konflikt in diesem Land geben wird, an dessen Ende nur dann die Weiterexistenz der Demokratie stehen wird, wenn die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger – aufgrund des Wissens über den Verlauf von 1931 bis 1933 in der Weimarer Demokratie – verhindert, dass Faschisten und Deutschnationale dieses Land erneut in eine Diktatur verwandeln können. Es wäre eine Verharmlosung zu sagen, dass sie das nicht wollen. Und eine Übertreibung ihrer Macht zu sagen, dass die Mehrheit das nicht verhindern kann. Es muss verhindert werden.

Literatur: Timothy Snyder, Der Weg in die Unfreiheit. Russland, Europa, Amerika, München 2018.

Dr.HeinzArnold

Abitur in Biedenkopf/Lahn, Studium Anglistik, Politik, Geografie, Philosophie, Soziologie, Pädagogik an den Universitäten Heidelberg und Marburg/Lahn, Promotion Dr. rer. pol. Universität Kassel, Lehraufträge in Geografie und Politik an den Universitäten Trier und Kassel, zahlreiche Buch- und Zeitschriftenveröffentlichungen in Politik, Soziologie und Geografie, in der politischen Linken aktiv seit 1968. Bücher u.a.: Linke Politik - eine kritische Einführung, Hamburg 2020; Gesellschaften, Räume, Geografien, Trier 1997; Disparitäten in Europa: Die Regionalpolitik der Europäischen Union - Analyse, Kritik, Alternativen, Basel/Boston/Berlin 1995; Saar-Lor-Lux/Trier-Westpfalz/Wallonie - Strukturen und Perspektiven einer Europäischen Großregion, Trier 1998; Soziologische Theorien und ihre Anwendung in der Sozialgeografie, Kassel 1988; Aldous Huxley, Brave New World, Berlin 2005 (Hrsg.); Lektüreschlüssel George Orwell, Animal Farm, Stuttgart 2011

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